Enissa Amani hat in den 2010er Jahren eine steile Karriere hingelegt, sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und konnte mit ihrer rasend sympathischen Art liefern. Belohnt wurde das mit der Manifestation des Stand-up-Erfolgs schlechthin, einem Netflix-Special. Ehrenwort sieht zwar wunderbar (und wie die amerikanischen Vorbilder) aus, gefilmt im denkmalgeschützten St.-Pauli-Theater in Hamburg. Es wartet allerdings nicht mit originellen oder komisch tragfähigen Ideen auf.
„Ich muss Material schreiben, das sowohl Monika als auch Fatih gefällt“, beschreibt Amani die Herausforderung, die es mit sich bringt, eine sehr breit gefächerte Fanbasis zu unterhalten. Immer wieder thematisiert sie die unterschiedlichen Gruppen im Publikum, Türken, Kurden, Iraner, fragt auch Mazedonier und Tschechen ab. „Wo sind die Schwulen? Ich hab‘ auch eine große schwule Fanbase.“ Alle melden sich begeistert und werden immer wieder Opfer von lieb gemeinten, vorbereiteten Beleidigungen. Im Grunde passiert hier auch nichts anderes als das ewige equal opportunity offending, das wie eine nützliche Handreichung an Agenturen daherkommt, welche demografischen Gruppen man hier werberelevant erreichen könnte.
„Ich bin immer noch im Intro, ich bin noch gar nicht im Set“, bemerkt Amani nach einer halben Stunde (!). Vieles davon hätte man schneiden kennen, zumal für ein Special, allerdings ist auch das geschriebene Material nicht viel stärker. Die präsentierten Gedanken sind oft ein wenig altbacken (Deutsche warten immer an der roten Ampel!), zudem verwendet Amani keine Witzmechaniken, sondern erzählt mit vielen lustigen Sprüchen gespickte Geschichten. Die sind oft ausgedacht: Sie habe ein Pferd haben wollen, aber ein Freund habe ihr dann für 500 Euro einen Esel gebracht. Ihren Mercedes AMG, den sie sich durch Comedy leisten konnte, reibe sie zur Verbesserung der Klimabilanz immer mit Olivenöl ein. Wäre das alles wahr, müsste man es in Stand-up viel stärker glaubhaft machen und könnte es verdientermaßen ausschlachten. So bleiben das flotte Ideen, aber auch Beispiele für Comedy ohne Ziel und Anker.
Das längste und thematisch noch am ehesten zusammenhängende Bit dreht sich um die schlechte Qualität von Billig-Billig-Fluglinien (also nicht Lufthansa oder Easyjet, sondern noch eine Liga drunter), auf die Amani bei ihren innerdeutschen Flügen oft gebucht wird. Außerdem müsse man, klagt sie, total winzige, ewig von den eigentlichen Städten entfernten Pseudoflughäfen anfliegen. Ein bemerkenswert irrelevantes Thema, dann fahr halt Zug, möchte man ihr zurufen, das ging 2018 auf jeden Fall noch besser. Amani kann die unterschiedlichsten Gruppen zusammenschweißen. Viele, viele Menschen sehen etwas in ihr. Was das genau ist, hatte sie selber 2018 noch nicht herausgefunden.
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