- Vermutlich der größte Aufreger des Jahres: In den USA wurde die Late-Night-Show von Jimmy Kimmel abgesetzt, weil der einen kritischen Witz anlässlich der Ermordung des Faschisten Charlie Krik gemacht hatte. Aus Angst vor staatlicher Gängelung (und nachteiliger Entscheidungen durch die Regulierungsbehörde) setzte ABC Kimmel ab, aber natürlich liegt es zuvorderst daran, dass der Host sich so gerne über Präsident Trump lustig macht. (Über die Entwicklung des einst unpolitischen, harmlosen Kimmel hin zu Trumps Erzfeind bzw. der „evolution from smug post-feminist crassness in the 2000s to a sincere and outraged liberalism“ schreibt Constance Grady bei Vox.) Auf jeden Fall wurde die Sendung wieder angesetzt, weil es im hochkomplexen US-amerikanischen Fernsehsystem Verträge gibt, die eingehalten werden müssen. Und wie das Poynter Institute ausführt, haben viele Sender, die Kimmel von ABC lizensiert haben, Angst, dass – wenn sie ihn nicht zeigen – ihnen von ABC die Lizenz für den für ihr Überleben unerlässlichen college football verweigert wird. „Der Kapitalismus hat die Meinungsfreiheit gerettet“, kommentiert Lorenz Meyer beim rbb und nennt das „eine Katastrophe“. Positiver Takeaway für mich: Vermutlich glauben wenige Menschen so sehr an die Macht der Satire wie Donald Trump.
- „Bielefeld gibt es doch – ausgerechnet in der Stadt, die Gagschreibern zufolge nicht existiert.“ Wenn eine Doku über Stand-up-Comedy mit dem lamesten hack joke aller Zeiten einsteigt und ihn auch noch erst meint, sollte man das Schlimmste befürchten. Immerhin: Es wird zwar nicht mehr viel besser in Allein mit dem Mikro (3sat), aber es wird besser. Wenn Luisa Charlotte Schulz und Simon Stäblein Jokes workshoppen, ist das schon mal ein besonderer, weil seltener Einblick in das Handwerk.
- Es hilft ja alles nichts: David Zucker hat The 2025 TikTok Survival Guide for Comics Who Want to Get Paid verfasst. Zucker betreibt auch einen Newsletter, wo er Stand-up-Comedy-Clips im Hinblick auf ihren Social-Media-Erfolg analysiert. Das ist alles hochinteressant, ich lese es sehr gerne. Aber ein bisschen traurig ist es ja doch, denn…
- „Ich habe jede Woche ein paar Stunden Zeit für Musik, davon will ich nicht auch noch Zeit abgeben, um mir zu überlegen, was ich auf Instagram probieren könnte, um mehr Fans und Follower zu generieren.“ Gesagt hat das der Rapper Konstantin Gramalla in einem noch viel lesenswerteren Interview, das ich auch Comedians sehr ans Herz legen möchte. Viele suchen den viralen Erfolg und jeder kann es schaffen – aber eben nicht alle. Und mit Qualität hat es oft gar nichts zu tun. Um da als Künstler nicht zu verbittern, braucht es Ideen für alternative Daseinsformen, die entkoppelt sind von der Reiz-Reaktions-Maschinerie der Plattformen. Gramalla stellt seine Idee vor.
- Peer Schader schreibt bei DWDL über neue, roughe Stand-up-Sendungen wie Falsch, aber lustig vom rbb: „Es kommt nicht oft vor, dass der RBB mal was richtig macht: Aber ‚Falsch, aber lustig‘ gehört definitiv dazu – weil man damit den Beweis antritt, dass es manchmal wirklich keine großen Budgets braucht, um cleveres Entertainment herzustellen.“

BIT-EMPFEHLUNG: Stefan Stuckmann: Jeder deutsche Toskana-Film (2025)
Ausnahmsweise kein Bit, sondern ein Sketch. Aber ich habe in den vergangenen Wochen über nichts so sehr gelacht, also why not? Wir kennen natürlich alle Heimatfilm-Klischees (und zu Heimat zählt im ÖR auch Italien), aber Stefan Stuckmann macht für Jeder deutsche Toskana-Film eine bemerkenswert dichte Packung daraus: die ernsten Blicke in die Kamera, das heimelige Schmalz, das overexplaining, dazu Bescheuertheiten wie die Türklingel. Herrlich.
- War was? Ach ja, das Comedyfestival in Riad, der Hauptstadt Saudi-Arabiens. War natürlich eine Werbeveranstaltung für einen autoritären Staat, für die sich Bill Burr, Sebastian Maniscalco, Tom Segura etc. teuer bezahlen ließen. Manche inszenierten sich gar als Exporteure der free speech und beschworen eine Signalwirkung, während sie zusagten, auf einen ganzen Katalog unliebsamer Themen zu verzichten. „Humor ist keine Ware, sondern eine geistige Beweglichkeit, der Schimmer von Freiheit im Denken, der von einem Zweifel an der Ordnung, einem anarchistischen Widerstand gegen das Mächtige und einer Intuition für das Absurde in jeder Form von Absolutheit lebt“, kritisiert Samira El Ouassil im Spiegel lesenswert, aber etwas abstrakt. Bei Teilnehmern wie Whitney Cummings oder Andrew Schulz fällt einem ja nicht unbedingt „geistige Beweglichkeit“ als herausragendes Attribut ein.
- Der US-Comedian Matt McCusker verbreitet regelmäßig in Podcasts Verschwörungstheorien, ansonsten viel transphoben, islamophoben, antisemitischen oder generell rassistischen Kram, darunter auch mal so Preziosen wie die, dass er nicht an die Schwerkraft glaubt (frage mich, was Vince Ebert davon hält). Was macht die Unterhaltungsindustrie mit so jemandem? Na klar, sie überschüttet ihn mit Chancen und Geld. McCuskers neues Special hat sich Netflix gesichert.
- Das journalistische Genre des Stand-up-Comedy-Selbstversuchs wird wohl nie aussterben. Und es gibt viele Quatschartikel dazu. Aber schön, wenn jemand die Kunstform auch mal ernst nimmt. „Ich schäme mich, dass ich dachte, dass ich das einfach so nebenbei machen könnte“, schreibt Jacqueline Krause-Blouin in der Annabelle. „Als wäre es kein Beruf, den man unter viel Schweiss und Tränen über Jahre erlernen muss. Wer auf einer Dinnerparty lustig ist, ist noch lange kein Comedian.“ Manche brauchen Jahre für diese Erkenntnis.
- „[A]ls Comedian gibt es nur eine Lösung gegen irrelevante Unterhaltung: persönlicher und weirder werden. Dafür bleibt mir nichts anderes übrig als weiter da hinzugehen, wo es weh tut. Nicht dem Publikum. Sondern mir“, schreibt Comedienne Freddi Gralle in ihrem Newsletter.
Hörtipp: 100. Geburtstag von Lenny Bruce

Vor etwa zwei Jahren habe ich mich mal mit einem netten WDR-Redakteur über Stand-up-Urvater Lenny Bruce unterhalten. Das Gespräch konnte dann aus unterschiedlichsten Gründen nicht gesendet werden (vermutlich weil zu edgy). Bis jetzt! Mit ganz neuem Anlass, nämlich dem 100. Geburtstag von Bruce. Ich gebe als Stand-up-Experte meine Einschätzungen zu Leben und Werk. Hier kann man sich den Beitrag anhören
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