Comedy-Presseschau vom 29.09.22

(Foto: Museums Victoria on Unsplash)
  • Shahak Shapira hat mit Crowdsourced ein 40-minütiges improvisiertes Crowdwork-Special vorgelegt. Sagen wir so: An Todd Barry oder Rory Scovel reicht er damit noch nicht heran. Trotzdem mutig. Und schön auch, dass im mit Stand-up nicht gerade verwöhnten Deutschland jemand auch mal Dinge raushaut.
  • Über das Comedykollektiv Vier Feinde gabs zuletzt hier öfter zu lesen. Nun der letzte Nachtrag zum sogenannten Arena-Stunt: Maximilian Sepp hat die Vier für eine Reportage im Stern mehrere Monate begleitet und findet für das Kollektiv die so zutreffende wie unzutreffende Beschreibung „so etwas wie die erste Boyband der deutschen Comedyszene“.
  • Dieter Nuhr ist mit Nuhr im Ersten zurück aus der Sommerpause und Moritz Post schildert das lesenswert für die Frankfurter Rundschau und mit gehöriger Abscheu. Zurecht, wie ich finde: Hier findet ein eigentlich klügerer Künstler nicht mehr aus dem Labyrinth, seine verbittere Marke pflegen zu müssen (oder will das vielleicht auch einfach nicht). „Es sollen alle wissen, dass der 61-Jährige sich unverstanden fühlt und nicht bereit ist, sich selbst und sein Verhalten auch nur im Ansatz zu reflektieren“, schreibt Post. Was sagt das aus, dass eine Sendung, die sich partout gegen auch nur den zartesten progressiven Wandel positioniert, zu den beliebtesten des Landes gehört?
  • Aufreger über relativ regelmäßige rassistische Ausrutscher kosteten den US-amerikanischen Comedian Shane Gillis 2019 sein Engagement bei Saturday Night Live. Anstatt sich trotzig als free-speech-Streiter zu inszenieren, war Gillis still und widmete sich akribisch seiner Comedy, wie etwa das frische Special Live in Austin (2021) zeigte. Gillis ist im Aufwind und bekommt dafür ein Porträt im New Yorker, das ein bisschen arg positiv ausfällt. Er macht ja zwar wirklich gute Sachen. Aber dass seine Comedy auch für die typischen toxic comic dudes à la Legion of Skanks anschlussfähig ist, passiert ja nicht ohne Grund. (Auch müsste er nicht so oft in solchen Podcasts herumsitzen.)

Stand-up-Comedienne Aparna Nancherla

SPECIAL-EMPFEHLUNG: Aparna Nancherla: Just Putting It Out There (2016)

„I hate when you go in for the handshake, but the other person goes in for the fist bump. But then you realize you’re in front of the mirror and don’t know who you are anymore.“ Die US-amerikanische Comedienne Aparna Nancherla pflegt eine so fragile Bühnenpersona, dass man sich trotz der geschilderten kleingeistigen Probleme immer nur einen Schritt vom vollständigen Kollaps der Wirklichkeit entfernt glaubt. Hier gehts zum Special

  • Deutschlandfunk Kultur spricht (anlässlich einer Krimi-Radioproduktion) mit Comedian Bastian Pastewka, der sagt: „Mich langweilt es, wenn Comedians immer nur auskeilen. Ich mag es, wenn die Fehler von sich selbst und ihrer Rolle mit einweben.“
  • Der US-Comedian Mike Birbiglia spricht mit Esquire über sein neues… Special? Theaterstück? Kunstwerk? The Old Man and the Pool. („I write so much garbage, it’s astonishing.“)Noch gibt’s das Werk nicht zu streamen, Birbiglia zieht nun damit erst einmal an den New Yorker Broadway, was durchaus als künstlerische Ansage zu verstehen ist. Bei Variety gabs vor ein paar Wochen eine Rezension des „new monologue“.
  • David Zucker, einer der Köpfe hinter Airplane! und der Nackten Kanone, hat sich wieder mit Pat Proft, dem Kopf hinter Police Academy, zusammengetan, um eine Comedyserie über nordische Krimis zu drehen, wie Chortle berichtet.
  • Bully Herbig spricht mit dem Deutschlandfunk Kultur über seine Verfilmung des Skandals um Spiegel-Reporter Claas Relotius. Tausend Zeilen mit Jonas Nay und Elyas M’Barek ist das Ergebnis. Hochinteressant, wie schnell in diesem Fall die mediale Verwertung (um nicht zu sagen Ausschlachtung) auf den eigentlichen Skandal folgte – aus dem die Branche meinem Eindruck nach nicht so viel gelernt hat, wie sie hätte lernen können.

Hörtipp: Cartoons, Karikaturen & Politik

Illustration von Katharina Greve

Die Illustratorin und Satirikerin Katharina Greve ist zu Gast im Podcast 99 ZU EINS und spricht über Humor in der Politik, dazu gibt’s einen Exkurs über Shitstorms und technische Diskussionen über Satiredefinitionen. Außerdem liefert Moderator Daniel dann den schönen Ausdruck „Lappenmacker“ für einen bekannten Berliner Großcomedian. Mit einem Wort: wunderbar! Hier gehts zur Episode

Die Presseschau gibt’s auch als Newsletter, einfach hier anmelden:

Comedy-Newsletter

Alles zu Stand-up und Comedy: Szeneinfos und Empfehlungen zu Specials, Bits, Interviews, Essays, News, Podcasts und Serien.