- Ein ehemaliger Mitarbeiter des Münchner Lucky Punch Comedy Clubs (dem von Michael Mittermeier) hat in einem Brief an den Stadtrat auf eine mögliche Förderproblematik hingewiesen. Der Club, so der Vorwurf, mache monatlich hohen fünfstelligen Gewinn, während die Stadt das Projekt mit großzügig geringer Miete subventioniere. Letzteres passiert, weil das Kulturzentrum Gasteig derzeit günstig zwischengenutzt wird, bis die Grundsanierung beginnt. Und was den Gewinn angeht: Ich habe keine Zahlen, aber ich habe mal eine KI mit Showzahlen und Ticketpreisen gefüttert und den Betrieb kalkulieren lassen. Selbst im konservativsten Szenario erwirtschaftet Lucky Punch ordentlichen Gewinn. Ist, wie gesagt, nur eine Überschlagsrechnung, aber überprüfen kann man da sicherlich mal, wie es auch der Münchner OB angeordnet hat. Die Stadt hat mir mitgeteilt, dass es keine Vorgaben zur Gewinnorientierung für die Untermieter im Gasteig gebe. Juristisch scheint also alles in Ordnung, aber das moralische Problem, dass Unterstützung für prekär bezahlte Kreative möglicherweise Profite eines Unternehmens steigert, verlangt nach Aufklärung.
- Es wächst weiter: In Nürnberg, Regensburg und Hannover haben Stand-up-Bühnen eröffnet. In Köln hat Nightwash einen Club eröffnet.
- Vor ziemlich genau vier Jahren habe ich anlässlich des Nightwash Talent Awards 2021 geschrieben: „Die Sendung ist länger, als sie sein müsste. Vor allem der Zirkus bei der 11 Minuten dauernden Siegerehrung ist jedes Mal überaus cringey. So steigert man weder Spannung noch Bedeutung des Preises.“ Was soll man sagen? Es wird alles immer noch schlimmer, mittlerweile noch ergänzt um penetrantes, schlecht kalibriertes Crowdwork, das kein Ende kennt. Das selbstreflexive „Ihr werdet mich hassen, die Regie verlangt von uns, dass wir es wegen der Spannung übertreiben“ macht’s nicht besser. Es ist selbstgefällig und eine Missachtung des Publikums. Ich hoffe sehr, dass der Wettbewerb für die Comedians (und den Sieger Vincent Tophoven) irgendwelche Türen öffnet. Für das Publikum ist es eine Qual. Schneidet die Show für Youtube halt einfach zurecht. Sonst bitte ich Yannik Gölz mal, die Show zu rezensieren.
- Zwei Schlaglichter aus dem deutschen Privatfernsehen: Bei DWDL geht es um ProSieben, und warum es schlicht nicht gelingt, den Comedyerfolg von TV Total zu erweitern. Und in der Süddeutschen um RTL und die komplette kreative Selbstaufgabe. Beide Sender sind strukturell zu schwach für die notwendige Talententwicklung. Aber während ProSieben noch kämpft (wenn auch erfolglos), erhebt RTL die Absage an Qualität zur Strategie.
- Liebes Zitat aus Episode 418 des Comedypodcasts Verprügelt mit Punchline: „Wenn du anfängst, Dinge, die zum Menschsein dazugehören, an andere Menschen outsourcest, verlierst du, was man ist, als Mensch. Und das ist vor allem als Stand-Up-Comedian, das Todesurteil.“ So true.
- Bei der Gründung einer neuen AfD-Nachwuchsorganisation gab es einen bemerkenswerten Auftritt mit Hitler-R. Cicero fragt sich, ob das Satire war, Provokation oder doch ein mediales Spiel? Quatsch natürlich, Satire kann ja gleichzeitig Provokation sein. Und welche Satire ist heute kein mediales Spiel? Genau diese Unentscheidbarkeit ist ja eben das strategische Instrument der Satire.

Gewissermaßen ein laut.de für Stand-up-Comedy möchte ja die Stand-up-Bibliothek sein, eine eine Ansammlung von Kurzkritiken deutscher Stand-up-Specials. Ich verspreche, dass sie bald wieder regelmäßiger befüllt wird. Schaut euch gerne um und schreibt mir, zu welchen Shows ihr gerne Rezensionen lesen würdet.
- Der Late-Night-Satiriker Jon Stewart diskutiert im New Yorker seine schwierige Situation bei Paramount – der neue Boss ist Trump-loyal und Stewarts Vertrag läuft im Dezember aus. Generell interessant, Stewarts Einlassungen zu problematischen Inhalten in rechten Comedypodcasts sind aber enttäuschend. Wer sich dran störe, dass Joe Rogan vor Millionen Zuschauern und Zuhörern „nazi-curious“ Gäste interviewt, müsse halt selber vor Millionen Zuhörern bessere Inhalte erzählen. „Beat them at their own game.“ Joa. Versuche ich ja! Klappt aber nicht. Nach Stewart darf ich mich also an der nazi-curiosity nicht stören? Hm. Die Verantwortung für problematische Inhalte kann man nicht so mir nichts, dir nichts der Gegenseite zuschieben.
- Zwei Meta-Empfehlungen für Stand-up aus der Musikindustrie: Zunächst Subvert-FM – ein Projekt, bei dem Tausende Musiker und kleine Labels nach dem Ausverkauf der erfolgreich-alternativen Musikplattform Bandcamp versuchen, eine Plattform als Genossenschaft aufzubauen. Den Gedanken, dass die Infrastruktur doch den Künstler:innen gehören sollte und nicht Techmilliardären, finde ich grundsympathisch. Machen wir uns nichts vor: Es wird natürlich Spotifys Macht nicht brechen, aber über alternative Organisationsmodelle nachzudenken und sich nicht den Logiken des Silicon Valley zu beugen, ist immer lohnenswert.
- Vor allem wenn man bedenkt, dass der Kotau vor den Plattformlogiken mitunter ja gar nicht so viel bringt wie gedacht: Why virality is not building fandom, lautet der Titel einer Untersuchung des Analyseunternehmens Midia. Songs können Hunderte Millionen Streams generieren, dass sich die Hörer dann auch für andere Werke der Musiker:innen interessieren, ist alles andere als ausgemacht. Songs (und auch: Stand-up-Clips), die viral gehen, führen nicht zwangsläufig zu mehr Ticketverkäufen oder mehr Shows, sondern nutzen in erster Linie den Plattformen.
- Bei der Evangelischen Akademie Frankfurt diskutierten bei der Veranstaltung „Humor ist…“ Dietrich Krauß, Redakteur der ZDF-Satiresendung Die Anstalt, und ein SPD-Lokalpolitiker mit Publikum über eine Anstaltsendung zur Wohnungskrise. Satire wird hier in erster Linie als Informationsvermittlung verstanden: Je besser die Satire, umso informierter das Publikum, umso deutlicher die politische Reaktion. Und wenn der Politiker dann aufzählt, was man ja alles gegen die Wohnungskrise tue, dann hat also alles gepasst, oder? Einerseits ja, andererseits: Warum ist die Wohnungskrise dann nicht gelöst? Wenn sich satirische Kritik damit zufrieden gibt, irgendwo Verwaltungshandeln ausgelöst zu haben, nimmt ihr das am Ende jede Kraft.
- Comedyanalyst David Zucker beobachtet in seinem Newsletter die Rückkehr der Stand-up-Stills. Bei diesem Trend auf Instagram posten Comedians ihre Witze nicht mehr als Videos, sondern als Text über mehrere Bilder verteilt, durch die man durchswipt. Immer nur Video ist halt auf die Dauer auch langweilig.
- Nerdstuff: Felix Lobrecht war mal wieder zu Gast im Podcast Hotel Matze. Dabei geht’s zwar nicht primär um Comedy, interessant fand ich aber: Lobrecht beklagt sich wortreich über den steuergeilen deutschen Staat, an den man „jeden zweiten Euro“ abgebe. Die Reichensteuer liegt in Deutschland bei 45 Prozent und greift ab etwa 300.000 Euro zu versteuerndem Einkommen. „Jeden zweiten Euro“ gibt man also nicht ab, aber es kommt grob hin, wenn man weit, weit über dieser Grenze liegt. (Und obendrein nicht nennenswert in Aktien investiert hat).
- Großartige Inspiration für Filmfreunde bei Variety: The 100 Best Comedy Movies of All Time. Die Nummer eins unterschreibe ich natürlich mit ganzem Herzen. Aber wer würde das nicht?
Hörtipp: Hörtipp: Altersarmut bei Musikern

Wie so oft, eine Empfehlung aus dem Musikbusiness. Die Reportage When I’m 64 über Altersarmut zeichnet ein ziemliches komplexes Bild. Statt nur auf Streaming zu schimpfen, geht es unter anderem am Beispiel der Musikerin Christiane Rösinger und Frank Schöbel, immerhin der erfolgreichste Sänger der DDR, um Klassenfragen, ausbeutende Strukturen, explodierende Mieten und ein Rentensystem, das bei Niedrigeinkommen versagt. Comedians können sich hier wahnsinnig viel abschauen. Und wenn es nur ist, wie man angesichts der Prekarität nicht verbittert. Hier geht’s zur Sendung
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