Comedy-Presseschau vom 15.07.21

(Foto: Museums Victoria on Unsplash)
  • Nach der Niederlage der Engländer im Finale der Fußball-EM wallte im Land der Rassismus auf. Mit rassistischen Äußerungen dabei: der Comedian Andrew Lawrence. Nachdem ein Auftritt abgesagt wurde, bedrohten wütende Fans den Club und seine Mitarbeiter:innen. Lawrence selbst sieht sich von der „woke Stasi“ verfolgt. Keine Verantwortung für die eigenen Worte übernehmen zu wollen, ist so kindisch. Beziehungsweise wäre es kindisch, wäre es nicht so gefährlich.
  • US-Comedian Bill Cosby saß im Gefängnis und kam nun wegen eines Verfahrensfehlers frei. Der sexual assault in einem einzelnen Fall, für den Cosby verurteilt wurde, hat sich damit aber natürlich nicht in Luft aufgelöst. Und dann sind da noch die 35 Frauen, die Cosby öffentlich vorwerfen, sie missbraucht zu haben. Spielt für manche Clubbesitzer offenbar keine Rolle, die sich laut einem Sprecher bereits bereit gezeigt haben, den Comedian zu buchen: „People want to see him“. (Öffentlich gegen Cosby ausgesprochen hat sich ausgerechnet der Comedy Cellar in New York, der sonst nicht zimperlich ist bei der Auswahl der Comedians.) Man fragt sich, was eigentlich passieren muss, damit ein Comedian mal zu einer persona non grata wird.
  • Produzent und Moderator Hugo Egon Balder rechnet beim RND mit Sat1 ab und allgemein mit dem deutschen Fernsehen. Im Interview sehnt sich da ein 71-Jähriger zurück in die gute alte Zeit, als im Fernsehen noch geraucht und getrunken wurde und es keine PR-Berater gab. Und Produktionsfirmen produzierten angeblich um des Spaßes willen, nicht wegen des Geldes. Liest sich also stellenweise ulkig. Trotzdem sehr interessant.
  • US-Comedykritiker Seth Simons prangert bei Paste den „cult of individualism“ in Comedy an. Lügen wie die, dass Comedy eine Meritokratie sei, hätten „atomized the comedy workforce into a sea of individuals primed to do whatever it takes—work for nothing, climb over their peers, keep quiet about abuse in their midst, do unmasked indoor shows during a pandemic—to win not even the lottery but a lottery ticket„.
  • Der US-Comedian Rory Scovel hat halb Special, halb Stand-up-Doku auf Youtube veröffentlicht. Live Without Fear zeigt Zusammenschnitte von sechs improvisierten Auftritten in einem kleinen Theater in Atlanta. Das Besondere dabei: Comedians reden ja gerne und ausführlich über ihre Witze (auch im Podcast bei s/p). Aber selten erlebt man ein Comedygehirn wirklich in Aktion: wie es blitzschnell wahrnimmt und Dinge in Bühnenäußerungen verwandelt.
  • Otto Waalkes hat einen neuen Film: Catweazle. Drum tauchten auch überall Otto-Interviews auf. Ich habe das in der Süddeutschen Zeitung, wo es auch um die Kunst der Filmkomödie ging, mit Gewinn gelesen.
  • US-Late-Night-Legende Conan O’Brien hat seine Sendung beendet. Ein lange überfälliger Schritt, kommentiert Garrett Martin bei Paste. Was bleibt? Der unglaubliche Einfluss O’Briens auf die weltweite Unterhaltungsindustrie natürlich – in Deutschland hat sich zum Beispiel Harald Schmidtgroßzügigbei O’Brien bedient. Und viele Erinnerungen, zum Beispiel an den Abend, als die Show versehentlich zwei Comedians gleichzeitig gebucht hatte.
  • Jetzt.de hat mit Tiktok-Comedienne Alina Bock gesprochen, die ich nicht kannte, denn, seien wir ehrlich: Es gibt einfach zu viele Comedians und zu viel Comedy unter der Sonne. Der Fall zeigt, dass talentierte Comedians wie Bock Plattformen wie Tiktok gut als Schaufenster nutzen können. Er zeigt allerdings auch: Mehr als ein Schaufenster kann Tiktok kaum sein. Die Plattform setzt den künstlerischen Möglichkeiten viel zu enge Grenzen. Und wer mehr erreichen will, muss dann doch wieder auf die klassischen Formen ausweichen. Eine künstlerische Vision lässt sich halt nicht eben in ein paar Sekunden ausbuchstabieren.

Schautipp: Licht

licht theaterserie

Während ich die neue Staffel I Think You Should Leave schaute, fragte ich mich, ob es eigentlich in Deutschland mal ähnlich Idiotisches gab. Ganz ehrlich: keine Ahnung! Auf jeden Fall kam mir die Webserie LichtDie ganze Welt ist eine Bühne wieder in den Sinn. In kurzen Folgen zeigt die Serie mit Gespür und Zuneigung für die kleinen Theaterarbeiter:innen den Irrsinn eines Systems.

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