Comedy-Presseschau vom 10.11.22

(Foto: Museums Victoria on Unsplash)
  • Thema Comedyclubs in Deutschland: Ma’s Comedy Club in Berlin muss umziehen und sucht nach neuer Location, wie mir der Betreiber Fabian Barahmeh auf Nachfrage erklärte. Im Kauz in München, vor Monaten gestartet mit dem Anspruch, jeden Tag Comedy zu zeigen, findet keine Comedy mehr statt. Eine Anfrage hierzu hat der Club nicht beantwortet. Und der Boing Comedy Club in Köln erweitert sich und bietet im kommenden Jahr “noch mehr Shows und noch mehr Auftrittsmöglichkeiten”, wie Host Manuel Wolff auf Facebook schreibt.
  • Immer mehr Comedians posten kurze Crowdwork-Clips in Sozialen Medien. Das ist oft eher unterwältigend und nervt, erfüllt aber einen Zweck, wie Hershal Pandya bei Vulture erklärt: “These clips help comedians discover new fans, engage followers, and sell tickets for upcoming shows — all while preserving their written material for paid opportunities.” Problematisch dabei: Die Künstler:innen übererfüllen die Anforderungen der Plattformen, die als großer Gleich- und Langweilig-Macher fungieren. “I’ve often said the demand for content is killing comedy”, sagt etwa der US-Comedian Sam Morril. “But I’d rather not sink.” Gleichsam abschreckend wie verständlich. Passend dazu ein dieser Tage viel herumgereichter Clip, in dem Bo Burnham über Tech-Companies und den schädlichen Einfluss spricht, den diese aufgrund des dem Kapitalismus inhärenten Wachstumszwangs auf unsere Gehirne ausüben.
  • Marcel Laskus porträtiert in der Süddeutschen Zeitung Mario Barth anlässlich dessen 50. Geburtstags und stellt einen für mich ungewohnten, aber absolut schlüssigen Zusammenhang mit dem Bestseller Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken her. Der wurde Anfang der 2000er annähernd zeitgleich mit Barth erfolgreich.
  • Die Radiosendung Satire Deluxe in WDR5 spricht mit Wissenschaftscomedian Vince Ebert über dessen Buch über den Klimawandel, mit dem er nach eigenen Angaben eine Debatte anstoßen möchte, aber dann doch wieder recht zielsicher beim Abwatschen der jüngeren Generationen landet. Die von Ebert genannten Vorwürfe mögen in manchen Fällen zutreffen, sind aber in ihrer Pauschalität falsch. Straight geführtes, nicht anbiederndes Gespräch. Siehe dazu auch Satire-Deluxe-Moderator Axel Naumer im Interview beim NDR, wo er über das “Kabarett der Anliegen” spricht, in dem die Protagonisten zum Predigen neigen.

Comedienne Liz Miele

SPECIAL-EMPFEHLUNG: Liz Miele: The Ghost of Academic Future (2022)

Die US-amerikanische Comedienne Liz Miele spricht über Dating, Kosmetik und ihren scheinbar belanglosen Alltag, entwickelt dabei aber ziemlich düstere Unterströmungen. Und weil sie offenbar nie etwas aus den Problemen lernt und komplett ohne alberne think-positive-Vibes auskommt, ist das ziemlich erfrischend.

  • Thema Comedypreise: Assane Badiane aus Emden hat den Nightwash Talent Award 2022 gewonnen. Bei Youtube gibts bislang nur ein Set von ihm zu sehen, also ist unklar, ob sich die Verleihung wie bei Nightwash sonst üblich wieder so unerträglich lange hinzog. Ferner hat Dan Tiernan den BBC New Comedy Award 2022 gewonnen, wie man bei Chortle nachlesen kann. Und Juri von Stavenhagen wurde bei einer Preisverleihung, die auch nicht unseriöser war als der Deutsche Comedypreis, offiziell zum Comedian des Jahres gekürt.
  • In keinem deutschen Medium sind die Karikaturen so unlustig, so kryptisch (und mit schöner Regelmäßigkeit antisemitisch) wie in der Süddeutschen Zeitung. Nun wurde der Illustrator:innen-Stamm verjüngt, wie Übermedien berichtet.Tim Harding rezensiert bei Chortle einen Auftritt von Joe Rogan in London: “His whole position is so staunchly individualist, so based in not caring, it’s interesting that he comes back so often to the critics and what he’s allowed or not allowed to say from his giant $200million platform.”
  • Der Lyriker Jan Wagner schreibt in der FAZ über Dichterlesungen an Schulen: “Jede einzelne kaugummikauende Göre ein verpickelter Scharfrichter, jeder ungekämmte und mit seinem Telefon verwachsene Dreikäsehoch mit Milchbart ein den Daumen senkender Augustus. Wirklich: Wer hier besteht, wem es hier mit ungebrochenem Selbstbewußtsein und ohne Verlust all seiner Würde sich zu verabschieden gelingt, der wird zeit seines Lebens keine Bühnenangst mehr kennen.” An irgendwas erinnert mich das doch…

Lesetipp: Humour Is Dead

RTL Samstag Nacht - Wiedersehen - Das Logo

Die alte Crew von RTL Samstag Nacht hat sich (exklusive des im vergangenen Dezember verstorbenen Mirko Nontschew) zu einer Wiedersehens-Show getroffen, die in den Medien breit besprochen wurde (zum Beispiel beim Redaktionsnetzwerk Deutschland) und das man sich beim hauseigenen Streamer TV Nowansehen kann. Die Sofagespräche geraten etwas hölzern, in Rückblicken und neu gedrehten Sketchen wird aber noch einmal deutlich, was das Ensemble für eine anarchische Kraft entwickeln konnte, die mich momentweise an Monty Python erinnert.

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