Comedy-Presseschau vom 02.06.22

(Foto: Museums Victoria on Unsplash)
  • Vor zwei Wochen schalt ich den Comedy Clash des SWR wegen des Wettbewerbsformats, der Halle, der Social-Media-Stars, der Knalligkeit, der schlampigen Moderationen und sich edgy gebender Comedians. Alle diese Punkte lassen sich im Fall des Stand-up-Formats Fun’s Not Dead, das beim ZDF auf Youtube erscheint, positiv wenden: kein Wettbewerb, ein lauschiger Raum, ausgeruhte Moderation, Understatement – einfach nur Stand-up ohne Schnickschnack. Fast wie in echt.
  • Ricky Gervais hat ein neues Special, nämlich Supernature. Es hat ein paar witzige Stellen und die obligatorischen Aufreger. Vor allem aber ist es mit Gervais’ älteren Specials austauschbar. „[E]ven if you buy his argument that a joke has no morality – this is still comically lazy stuff“, schreibt Steve Bennett bei Chortle. (Und es muss nichts heißen, aber wenn Piers Morgan und Elon Musk sich öffentlich als Fans bekennen, könnte bei einem Künstler auch mal eine Warnlampe angehen.) Supernature ist eine Enttäuschung und gleichermaßen Mahnung an Comedians, zu sehen, wie ambitionslos man werden kann, wenn man es erst einmal zu Geld gebracht hat.
  • Die Karikaturen in der Süddeutschen Zeitung sind ja bekannt für ihre unfreiwillige und bisweilen haarsträubende Komik. Und regelmäßig geht’s schlimm schief: Kürzlich ist wieder eine Zeichnung mit antisemitischer Symbolik erschienen. Hendrik Wieduwilt erklärt den Fall (und die Fälle davor) bei n-tv. Schon merkwürdig, dass die SZ hier einfach nicht dazulernt.
  • Alles wird teurer, außer die Gagen für Comedians. Rebecca Rush beschreibt bei Mic, dass das in den USA wieder zu einem Streik führen könnte. Der Artikel ist kaum auf die Situation in Deutschland zu übertragen – hierzulande ist Comedian einfach (noch?) kein so stark konventionalisiertes Berufsbild. Mindestens eines können Comedians mitnehmen: wie transparent und fair Comedians wie Maria Bamford und Margaret Cho mit ihren Show-Openern umgehen.

Comedian Jim Gaffigan

SPECIAL-EMPFEHLUNG: Jim Gaffigan: Doing My Time (2004)

Ein running gag bei Jim Gaffigans Shows ist, wenn der Comedian in die Rolle einer irritierten Besucherin schlüpft und seine eigenen Witze kommentiert und zerlegt. In diesem frühen Special (das u.a. das berühmte Hot-Pockets-Bit enthält) betreibt er das exzessiv, aber so variantenreich, dass es nie manieriert wird. Auch die Gagdichte ist beeindruckend.

  • Imre Grimm interviewt beim RND Postillon-Gründer Stefan Sichermann (und bringt im Gespräch die verblüffende und leider unbewiesene Behauptung „Viele Satirekollegen arbeiten eher unregelmäßig“ unter). Kleiner nostalgischer Moment: Als Einfluss seiner Arbeit nennt Sichermann unter anderem die Comics von Clever&Smart. Langes, gemächliches, dabei doch immer lesenswertes Gespräch.
  • Ein Jahr nach Veröffentlichung seines experimentellen Comedyspecials Inside (hier die damalige Rezension bei s/p) hat Bo Burnham eine Stunde unveröffentlichtes Material auf Youtube gestellt. Und bei Netflix gibt’s das raue, posthum veröffentlichte Special von Norm Macdonald. Zwei Specials ohne Publikum – über die Vorzüge schreibt Jason Zinoman in der New York Times: „Burnham and Macdonald created a more direct relationship with the viewer, one with more intimacy than can be generated by a close-up.“

Lesetipp: How to Tell a Story in Stand-up

Manche halten Storytelling für die Königsdisziplin von Stand-up, ich finde, es ist zumindest ein anspruchsvolles Genre. Der Regisseur und Stand-up-Lehrer Chris Head analysiert bei Chortle Stand-up-Bits im Hinblick auf Erwartungsaufbau und erzählerische Struktur. Comedians können wertvolle Tipps mitnehmen – und Zuschauer:innen können ihr Verständnis und somit den Genuss steigern. Hier geht’s zum Artikel.

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