Abdelkarim, der „Deutsche mit Einwanderungsoptik“, ist bühnenerfahren, das merkt man bei dem Auftritt 2019 im Rahmen des 3sat-Festivals in Mainz in jeder Sekunde. Er hat einen Stand-up-Duktus, der die Jokes allein schon durch die Betonung sicher landen lässt, und es gibt quasi kein Wort zu viel. Großartig ist die Stelle gleich zu Beginn, wo Abdelkarim sich kurz als islamischer Missionar präsentiert.
Manche Passagen hätten aber durchaus noch etwas Ausarbeitung vertragen: Wie er einen Schwarzen Menschen im Zug vor dem Fahrkartenkontrolleur warnt, einen Weißen aber nicht, ist eine starke Anekdote über ungewollt rassistisches Othering. Es könnte der Schlusspunkt einer langen Story sein, stattdessen geht alles viel zu schnell vorüber und bleibt in der Halbdistanz, wie überhaupt die Persona auf der Bühne eher generisch bleibt.
Den Kindheitserzählungen und erlebten Anekdoten fehlt es an Spezifität. Man erfährt wenig über das Leben eines einzelnen Menschen mit Einwanderungsgeschichte, stattdessen mehr allgemein Nett-Selbstironisches über Migranten in Deutschland, was z. B. in etwas faden Jokes zum Ausdruck kommt wie: „Ali braucht beim Duschen kein Shampoo, sondern Teppichreiniger.“ Es bleibt immerhin nicht bei der bloßen self-deprecation von Menschen aus Familien mit Einwanderungsgeschichte. Die konstante Schilderung des latent von Rassismus durchsetzten deutschen Alltags balanciert die self-deprecation gut aus und ist auch das, was Abdelkarims Arbeit deutlich von der frühen „Was guckst du?“-Ethno-Comedy unterscheidet.
Der Comedian schließt mit einer Art Service-Epilog: Die Menschen sollten doch einfach wieder etwas respektvoller miteinander umgehen. Mehr miteinander reden statt übereinander, empfiehlt er und sagt: „Jeder Mensch, mit dem man spricht, ist am Ende eine Schublade weniger.“
Das klingt wie ein wuchtiger Satz, und ich glaube zu 100 Prozent, dass Abdelkarim ihn lebt. Aber es gibt sicherlich auch viele Menschen, die das nicht so sehen, die zum Beispiel gar kein Interesse daran haben, weniger in Schubladen zu denken. Oder auch Leute, die schon mal mit Menschen „mit Einwanderungsoptik“ sprechen, diese danach aber immer noch aus „ihrem“ Land werfen wollen. Heftige Interessensgegensätze und Grabenkämpfe lösen sich mit ein bisschen zwischenmenschlicher Wärme eben nicht auf. Staatsfreund Nr. 1 bekommt hier Angst vor der eigenen Courage, verzichtet auf radikalere Analysen und verzwergt sich am Ende unnötig selbst.
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