Martin Frank stammt aus dem hinterletzten Eck Bayerns (ich darf das sagen, denn ich stamme aus der Nähe) und macht Comedy in bayerischer Mundart. Wer meint, dass das einer großen Karriere hinderlich wäre, irrt: Von Benediktbeuern bis Berlin, von Freiburg bis Sonneberg – seit mehr als einem Jahrzehnt spielt Frank im ganzen Land.
Viel der Komik fließt entsteht dabei durch den Clash des künstlerisch veranlagten Frank mit seiner konservativ-provinziellen Heimat und Herkunft aus einer ultrapragmatischen Bauernfamilie, so auch in Es kommt, wie’s kommt, mit dem Frank ab 2018 auf Tour war und das er 2020 im Innenhof des Klosters Fürstenfeld bei München aufgezeichnet hat. Kenntnis bayerischer Mundart ist hilfreich, aber letztlich nicht zwingend erforderlich.
Schön ist auf jeden Fall die Aufmachung: Zu Händels Wassermusik öffnen zwei kräftige mittelalte Männer mit nackten Oberkörpern statt eines Vorhangs ein transparentes Scheunentor, hinter dem Frank und dessen übergroßes Logo (ein Hahn am Mikrofon) warten. Das ist gutes Branding, vor allem ist es eine inszenatorische Idee, wenn auch die einzige der Aufzeichnung, aber die meisten Special-Aufzeichnungen haben ja nicht mal die.
Anekdoten über seine Großmutter und andere Familienmitglieder wechseln sich ab mit gespielten Witzen (manchmal erkennbar nur verwendet, um z. B. einen lustigen Spruch integrieren zu können), Publikumsinteraktionen, Kalauern und auch Gesangseinlagen – Frank hatte sich, wie er ebenso erzählt, erfolglos am Salzburger Mozarteum für eine Operngesangsausbildung beworben. Die Comedy entsteht dabei weniger aus der Mechanik oder Erwartungsenttäuschung, als aus dem fassbaren und mitunter überzeichneten Charakter.
Der Gedankenraum Dorf/Provinz ist ein sehr weiter, die Gefahr demnach groß, dass man etwas beliebig Themen und Anekdoten aneinanderreiht. Frank schafft es aber immer wieder, dem zu entgehen, da er ein Gespür für dramatische Kondensation hat. Das heißt: Er fällt nicht allgemeine Urteile (etwa: Bayern sind rückständig, Preußen sind aber nicht besser, Provinzler sind auch gewieft), sondern packt sie in kleine, detaillierte Szenen, prototypisch bei einer Erzählung über seine Familie, die für Touristen Hühnerbeerdigungen anbietet. Hier fließt viel ineinander: unternehmerischer Opportunismus, Kommunikationsschwierigkeiten, Preußen-Verarsche, die sich aber die Waage hält mit dem Hinterwäldlertum der bayerischen Familie, schließlich der schulterzuckende Pragmatismus angesichts von Tod und Vergänglichkeit – das muss man erst einmal so hinbekommen.
Allerdings wirken viele der Anekdoten wegen der allzu deutlichen Übertreibung doch erfunden, eher einer bayerischen Sitcom entnommen als einem Stand-up-Programm. Und Frank gelingt es entsprechend nicht, eine nicht ebenso übertriebene emotionale Haltung zum Erfundenen einzunehmen. Der soziale Druck durch die Familie, das Gefühl, nichts mit dem eigenen Leben anzufangen zu wissen, und die daraus resultierende Gestresstheit, die sich bei Frank dann sogar auf die Kommunikation mit dem Publikum überträgt (“Was ist denn jetzad??!”) – all das wirkt in Summe zu gekünstelt, um Frank die Sinnkrise, in der er sich angeblich befindet, wirklich abzukaufen.
Dabei hätte es da einen neuralgischen Punkt gegeben: Frank ist, trotz aller Skurrilitäten und heimatlicher Enge, stolz auf seine Herkunft, was er einmal etwas anbiedernd und mit einer Portion Akademiker-Bashing erzählt. Gleichzeitig liebt er offensichtlich Gesang und Spiel, die ihm ermöglichten, sich persönlich zu entfalten. Kunst führt uns in eine andere Welt – doch was, wenn man sich von der Welt, die hinter einem liegt, nicht trennen möchte? Hier werden komplexe Gefühle angerissen, aber nicht ausagiert.
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