Lisa Feller: Dirty Talk (2024)

Irgendjemand hat sich für Lisa Fellers Programm Dirty Talk folgenden Teaser ausgedacht: “Schmutziges Gerede hat Hochkultur: Ob im TV, auf Social-Media oder in Beziehungen – überall Dirty Talk! Ein gefundenes Fressen für Lisa Feller, der das Gemotze kräftig auf die Nerven geht.” Und mal davon abgesehen, dass es eigentlich „Hochkonjunktur“ heißen müsste (möglicherweise ist das ja ein Witz, der dann weder kommentiert noch ausgespielt wird), bringt das ein grundsätzliches Problem mit diesem Special, das 2024 im Gloria Theater in Köln aufgezeichnet wurde, auf den Punkt: Was ist denn eigentlich mit „Dirty Talk“ gemeint?

Geht es um die sexuelle Praxis, geht es um Beleidigungen und Hass im Netz, geht es doch nur um allgemeines Gemotze, geht es irgendwie um alles, was auf Sozialen Medien in irgendeiner Weise Negatives geäußert wird? Alles und nichts passt unter diesen kilometerweit aufgespannten Regenschirm. Umso deutlicher wird, dass was als Titel und Fundament proklamiert wird, nur ein nachträglich angeklebtes Etikett ist, das Kohärenz vortäuschen soll.

Dirty Talk ist ein Sammelsurium von flotten Sprüchen und lustigen Erlebnissen, die mit „übrigens, das gab’s ja auch noch“-Überleitungen aneinandergereiht werden. “Manches ändert sich ja gar nicht, manches ändert sich total”, sagt Feller einmal – und es geht ihr nicht darum, diese Aussage von verschiedenen Seiten zu beleuchten oder nun darüber nachzudenken, woran das liegen könnte. Stattdessen ist der Satz ein erzählerisches Hinweisschild: Achtung, gerade gab es etwas. Nun gibt es etwas anderes.

Ein Bit befasst sich mit den Wirkungen, die unterschiedliche Sprachen haben („Italienisch ist immer Amore“). Kassierer an Supermarktkassen arbeiten immer so schnell. Als Feller einmal „Scheide“ sagt (und eine Schwertscheide meint), schiebt sie aus unerfindlichen Gründen sofort ein gespieltes „hihihihi“ nach. Die kulturellen Referenzen („wie in so einem Michael-Jackson-Video“) wirken etwas ältlich, auch Antonio Banderas und Stefanie Hertel kommen vor.

Dass Letztere in einem Interview Gaga-Aussagen gemacht hat, hat Feller per „Recherche“ ermittelt – ein Begriff, der öfter fällt, was vermuten lässt, dass sie gezielt gegoogelt hat, um Teile des Programms auszubauen. So kann man ein Programm natürlich schreiben, gewinnt dann aber vor allem Breite. Dabei wirkt es ja durchaus so, als hätte Feller etwas zu sagen, als Frau, als Mutter, als Teilnehmerin am gesellschaftlichen Diskurs. Aber auch die interessanteren Gedanken (z. B. „An der Supermarktkasse sind wir alle gleich“) werden nie in der Tiefe verfolgt. Aus den geschilderten Gesprächen mit ihren Kindern gelangt sie nicht zu Erkenntnissen, zum Beispiel, was die Generationen Unterschiedliches oder Ähnliches über verschiedene Arten von dirty talk denken. Sie bleiben reine Kulisse für den nächsten flotten Spruch. So verlässt die Show nie die sicheren, aber auch seichteren Gewässer.

Dirty Talk, 89 Min., abrufbar in der ARD Mediathek

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