Jan Philipp Zymny: surREALITÄT (2023)

Jan Philipp Zymny hat sehr viele verrückte Ideen, und das ist leider manchmal ein Problem. In seinem Programm surREALITÄT (im Comedia Theater in Köln aufgezeichnet und 2023 veröffentlicht) liest er lustige Texte vor, er spielt klassische Stand-up-Bits, er macht eine ernstere Ansprache über politische Parteien, er zeigt Präsentationen über einen Beamer, etwa über irritierende Schilder oder über Spaß, den er sich auf Datingapps mit anderen Menschen erlaubt, außerdem wurden im Schnitt immer wieder kleine visuelle Effekte hinzugefügt. Kurz: Diese Fülle auf mehr als zwei Stunden macht es mitunter schwierig, Zymnys Show folgen zu können.

Das Programm franst einerseits wegen des Nummerncharakters etwas aus, andererseits werden die komischen Ideen derart angehäuft (etwa bei einem fast fantastisch anmutenden Text über ein Gespräch im Jobcenter – Helge Schneider lässt grüßen), dass die Pointen nicht mehr funktionieren, weil sie gar nicht als Pointen erkannt werden. In einem Text über sein Leben erzählt Zymny, dass er, weil er noch nicht lesen kann, an der Grundschule vorbeiläuft und stattdessen in einer Justizvollzugsanstalt landet.

Natürlich ist das nicht ernst gemeint, aber das macht die Sache nicht automatisch witzig. Zumal es ja noch nicht die größte Absurdität in Zymnys Welt ist (vgl. etwa „Meine Eltern fanden mich in einer Pampelmuse“). Aber wenn alles crazy ist, kann nichts mehr hervorstechen. So bleibt schwammig, wie diese Welt überhaupt beschaffen ist, und es bleibt unklar, wie das komische Ich sie betrachtet. „Ich will nicht 30 sein, ich will einfach nur ich selbst sein“, liest Zymny einmal, lässt aber offen, was dieses „ich selbst“ denn dann ausmacht.

Zymny hat dabei ein Gespür für Beobachtungen und Freude an der Formulierung. Der „ewige Kindergeburtstag der Gewalt“ ist mir besonders in Erinnerung geblieben. In Datingapps suchen die Menschen „Liebe – oder ein zeitlich begrenztes Äquivalent davon“. Der uralten Thematik Payback-Karten im Supermarkt gewinnt er durch ein Spiel mit der Intonation neue Aspekte ab. Und großartig ist auch ein Satz über Quatsch, den Zymny auf Tinder gemacht hat: „Gut, ich musste erst euch das vorlesen, damit Quatsch draus wird“ – eine Poetologie von Comedy in a nutshell. Überzeugt zwar nicht restlos (die Aufführung allein macht ja nicht den Quatsch), hallt aber nach.

surREALITÄT, 130 Min., abrufbar auf Youtube

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