Hazel Brugger ist eine Comedymaschine im Wortsinne: Sie versteht es, nicht bloß amüsante Fundstücke zu präsentieren, sondern diese Fundstücke eben in den (Comedy-)Zuber zu werfen und durch die (Comedy-)Mangel zu drehen (alternativ technische Metapher der Wahl hier einsetzen). Die Fundstücke erhalten so einen echten Mehrwert.
In Bruggers im Theaterhaus Stuttgart aufgezeichneten und 2024 veröffentlichten Special Kennen Sie diese Frau? wird das bereits zu Beginn deutlich: Stand-up-typisch spricht sie da über ihre Herkunft aus einem Schweizer Dorf und zählt auf, welche lustigen Namen die Geschäfte dort haben. Aber sogar bei einer so simplen Aufzählung baut Brugger eine kleine Prämisse ein („nichts heißt, wie es heißen soll“) – prompt ist die Aufzählung keine Ansammlung von Lustigkeiten mehr, sondern die Lustigkeiten richten sich an der Prämisse aus wie Metallspäne an einem Magneten. So kann sie auch die Zuschauer:innen besser führen und stärker zum Lachen anleiten.
Insgesamt geht es in der Show viel ums Elternsein, da Brugger kurze Zeit nach der Aufzeichnung ihr zweites Kind gebären würde. Wenngleich diese Gedanken auch nicht abgedroschen sind, sind die stärksten Bits aber andere, nämlich die, in denen Brugger ihre hyperdetaillierten, skurrilen und mutmaßlich stark durch das Schauen von Zeichentrickfilmen geprägten Ideen ausspielen kann. So kann sie selbst dem alten Hut „Deutsche und ihre Vorliebe für Brot“ noch Originelles abgewinnen – auf die abstruse Punchline, dass jemand statt einer Armbanduhr eine Scheibe Brot am Handgelenk trägt, muss man ein Publikum erst einmal einstimmen (und darüber, wie gekonnt Brugger die entscheidenden Worte hier setzt, um die Erwartung zu lenken, könnte man eine kleine Seminararbeit schreiben).
Großartig ist auch ein Bit über Frauen, die 1,60 Meter groß sind. Und großartig ist überhaupt der Grad an Detailliertheit, etwa bei Ausführungen zum Klang des Wortes „Ehe“ oder bei Charakterisierungen von Personen: “Alles, was sie anhatte, hätte auch ein Schlüsselanhänger sein können.” Die Spezifität macht besonders (eine Tautologie, klar, aber eine wenig bekannte) und verhindert Klischees. Beeindruckend auch, wie gut Brugger in Crowdwork-Situationen trainiert ist und auch in diesen Momenten Details setzen kann.
In manchen Passagen gibt es merkwürdige logische Brüche. Etwa wenn Brugger über die Faszination von Deutschen für Brotkrusten sagt “So spricht man in anderen Ländern nur auf der dermatologischen Notfallstation” – bitte was? Und bei einem Bit über das Gendern gibt sie die logische Konsistenz kurzzeitig völlig auf: Sie erklärt, warum sie beim Sprechen gendert, dreht dann die Sprecherposition um und erklärt, dass sie nicht ausrastet, wenn unter eine Aufzählung von „Lehrern“ auch Frauen fallen. Die Passage ergibt wirklich überhaupt keinen Sinn, und je öfter man sie ansieht, umso verwirrender wird sie. Aber man sieht daran auch, dass ein Publikum auch (unfreiwillig) verschlungene Pfade mitgeht, wenn es nur gut geführt wird.
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