Ab einer bestimmten Bekanntheit und mit entsprechend gefestigtem Markenkern gehen Comedians oft keine Risiken mehr ein und liefern mehr vom (gewünschten) Gleichen. Die einzige Variation besteht dann darin, das Thema zu wechseln und dieses dann auf die identische Art zu bearbeiten wie bisher. Im besten Fall kann man dann wie bei Mutterschutz von Atze Schröder auch eine etwas andere Zielgruppe ins Visier nehmen, die die Tourtickets dann zu Geburtstag, Weihnachten oder Muttertag geschenkt bekommen.
Und an die Mütter richtet sich Schröder in Mutterschutz von 2008 besonders. „Mutter-Sein ist wieder cool“, sagt er, denn „eine mördermäßige Presswehe zieht sich von Flensburg über Bremen bis an den Rand der Alpen“. Zu dieser Diagnose kommt er, weil Boris Becker ein Kind gekriegt hat und Schröders Nachbarin alleinerziehend ist. Oder so. Auf jeden Fall bleibt es ein völliges Rätsel, warum Mutter-Sein einmal nicht cool gewesen sein sollte. Möglicherweise hängt es mit einer generellen Frauenverachtung in der Gesellschaft zusammen, die sich zu Beginn des Jahrtausends noch häufiger und direkter äußerte als heute, und die von Comedians wie Schröder aufs Bereitwilligste befördert wurde.
Zu behaupten, es gehe in Mutterschutz vorrangig um Mütter oder das Mutter-Sein, wäre aber irreführend. Es wird einige Male das Wort „Mutter“ gesagt, das wäre es dann mit dem thematischen Überbau. Wesentlicher häufiger thematisiert werden an sich Frauen. Die bekommen aber, von Andrea Berg über Sandy Meyer-Wölden, Gina Wild, Pamela Anderson bis hin zu Angela Merkel nur Häme oder Beleidigungen ab, darum lässt sich das vermutlich nicht so gut vermarkten wie der Rekurs auf Mütter.
Ein paar Kostproben: Dass er eine Freundin sucht, bringt Schröder auf die Formel: „Wo schieß ich mir so ’nen Bello?“ (Ernsthaft, wer, selbst im Ruhrgebiet, redet so???) Eine minutenlange Anekdote widmet sich ganz der TV-Moderatorin Gülcan Kamps, die Schröder bei einer Veranstaltung von der Bühne herab beleidigt, weil er sich denkt: „Komm, hau drauf. Alle haben Spaß und sie versteht’s nicht.“ Die Moderatorin Nadja Abd el Farrag bezeichnet Schröder rassistisch als „wat Braunes“. Und werden Mütter ja vorgeblich in Ehren gehalten, gilt das für Schwangere nicht. Die findet Schröder offenbar irrational und eklig.
Nun können Comedians schon mal härtere oder problematische Witze machen. Soll ein Programm nicht in Schieflage geraten, müssen sie das aber ausbalancieren. Sie müssen sich die harten Witze verdienen, sie brauchen ein Gegengewicht, damit nicht allein die Verachtung auf der Habenseite steht. Selbstironie könnte so etwas zum Beispiel leisten, aber das Maximum an Selbstironie in Mutterschutz ist, dass sich der Comedian wegen seiner Frisur/Perücke als „Pudel“ bezeichnet. Immer sind die anderen blöd, es gibt keinerlei menschliche Wärme, keine Güte, und dass Schröder trotzdem als authentisch-kumpelnder Jedermann rüberkommt und eifrig beklatscht wird, sagt natürlich auch etwas aus, nämlich unter anderem, dass konzentrierte Frauenverachtung vor nicht allzu langer Zeit nicht mal die Kriterien für einen grenzwertigen Witz erfüllte.
Schröders Comedy ist ein schönes Beispiel für overwritten and underdeveloped. Die übermäßige Beschäftigung von Autoren wird deutlich an Wortgirlanden wie „das ist doch ein Wohlfühltempel, eine Wellnessveranstaltung, das Forum Romanum eines lidoesken Connaisseurs, die Bundeslade des bourgeoisen Etablissements…“ usw. Auf die Toilette zu gehen, bezeichnet er einmal mit Cringe-Regler auf 100 gedreht als „die Speihkobra ausstreichen“. Dabei bleiben leidlich funktionierende Witze auch in blumige Worte gekleidet nur leidlich funktionierende Witze. Bei Schröder ist es überhaupt vom Zufall abhängig, ob sie funktionieren, also ob Zuschauer:innen die Signalwörter und Referenzen, die ergebraucht, erkennen.
Warum braucht es dieses Gottvertrauen auf lustige Referenzen? Meine Vermutung wäre, dass es die Comedy legitimiert, da sie die Äußerungen des Comedians direkt im kollektiven Bewusstsein verortet. Anstatt das Publikum mit neuen Gedanken zu beschäftigen, muss auf Dinge rekurriert werden, die in den Hirnen der Zuschauer schon angelegt sind. Die maximale künstlerische Leistung besteht dann darin, eine Referenz oder ein Zitat wie eine abgedroschene Aussage des Ex-Fußballers Paul Breitner („Wir hatten alle die Hosen voll, aber bei mir liefs ganz flüssig“) mit einem gebrüllten „So isses!“ abzubinden.
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