In Die Rache des Hurensohns soll man erleben können, „wie Kalle Zilske die Kunst der Comedy neu definiert“. Und auch wenn wir ja an sich wissen, dass Pressetexte aufs Blech hauen müssen, sei der Vorsicht halber angemerkt: Das erlebt man nicht. Dafür erlebt man bei der selbst produzierten Show in der Berliner Bar Mein Freund Harvey einen Comedian, der seinen eigenen Stil und seine eigene Sprache gefunden hat. Einen, der auch ziemlich genau einschätzen kann, was sein Platz ist.
Und insofern seien die überheblichen Ankündigungssätze auch verziehen, denn die Show, die folgt, ist eben alles andere als überheblich, sondern liebevoll, persönlich, am Ende nachgerade rührend. Im Gepäck hat Zilske, neben viel Berlin-Folklore, unter anderem ein konventionelles Bit, in dem er das Märchen Rotkäppchen (zu) ernst nimmt, inklusive starkem Vergleich von Märchenwald und Kottbusser Tor. Dazu gibt es die schöne comic idea, sich mit einer Rolle rückwärts unangenehmer Situationen zu entziehen. Einprägsam sind auch die sehr speziellen Probleme und sozialen Ängste, die Zilske beim Einkaufen im Supermarkt verfolgen.
Arg häufig thematisiert er, dass er mit Schnurrbart und runden Brillengläsern aussieht wie das Klischeebild eines Pädophilen. Es bleibt aber offen, ob diese Stilentscheidungen tatsächlich Auswirkungen auf sein Leben haben oder nur oberflächlich für den komischen Effekt instrumentalisiert werden. Der Künstler bringt eine ganze Menge in anderthalb Stunden und mit sehr hohem Tempo unter: Per Stichprobe habe ich einmal 180 Wörter pro Minute gezählt. Auch irritierte Blicke kann Zilske effektvoll einsetzen.
Im Grunde kann man die Show als einen langen, aber soliden Anlauf für das fulminante Ende verstehen. Der Titel der Show rührt daher, dass Zilske einmal „Hurensohn“ genannt wurde – ausgerechnet von der eigenen Mutter. Was er hieraus macht, ist spektakulär: Nach einem wirklichen WTF-Moment wird gemeinsam mit dem Publikum ein wunderschönes Lied gesungen, das als absolut deplatzierter Ohrwurm zurückbleibt. Hier verwandelt Zilske sehr finstere Gefühle in einen magischen Bühennmoment.
„Dank euch werd‘ ich nie mehr alleine sein“, beendet der Comedian die Show, und da das nicht mehr gesteigert werden kann, kann er auch die geforderte Zugabe nicht mehr spielen. Stattdessen betritt Zilske den Zuschauerraum von hinten und fordert das Publikum zum Feiern auf. Man hätte am liebsten mitgefeiert.
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