- Saturday Night Live feiert sich für 50 Showjahre – allerdings ein bisschen zu sehr, findet Rebecca Jennings bei Vox: “[B]y far the worst version of SNL is when the show becomes more interested in its own mythology than making people laugh. […] SNL works when it lets the young comedy nerds who staff the show do their thing without reminding us that we’re watching a show that’s been on the air for 50 years.“
- Die ehrwürdige Münchner Lach- und Schießgesellschaft ist nach Insolvenz nun gerettet und startet unter der Leitung von Musikkabarettist André Hartmann neu. Im Gespräch im Deutschlandfunk Kultur kündigt Hartmann an: “Ab und zu wird auch eine Zote mal fallen dürfen.” Bevor nun aber jemandem vor Schreck das Monokel ins Crémant-Glas fällt, gibt er direkt Entwarnung: “Diese Bühne soll sich überwiegend mit hochwertiger Kunst beschäftigen.” Na immerhin.
- “Nur Deutsche lachen über deutschen Humor, er ist kaum exportierbar”, hat Schauspieler Hannes Jaenicke der dpa gesagt. “Nicht einmal unsere Nachbarn in den Niederlanden verstehen unseren Humor.” Nicht einmal die Niederländer! Dabei sind die doch besonders… ja, was eigentlich? Deutschenkundig? Deutschophil? Wie sollen denn etwa Niederländer den Humor in Produktionen wie dem kürzlich gelaunchten, ebenso erwartbaren wie hart gewöhnungsbedürftigen Smeilingen(wo übrigens Jaenicke mitspielt)kapieren, wenn die Deutschen damit selbst so ihre Probleme haben? DWDL kommentiert: “Das erstaunlich schlechte Timing der meisten Gags und schlimmer noch: der ständige Drang, dem Publikum die simplen Witze auch noch erklären zu wollen, machen [Smeilingen] zu einer zähen Angelegenheit, die auch der bemerkenswert hochkarätige Cast […] nicht mehr zu retten vermag.”)
- Die Moderatorin und Autorin Anna Dushime sagt anlässlich der neuen Show Browser Ballett Heimatquiz in der Brigitte: “Ich persönlich verstehe Satire jedoch als Mittel, uns gesellschaftlich zusammenzuschweißen, weil wir damit auf Missstände schauen können – und nicht als etwas, das uns spalten sollte.” Es ist schön, wenn Satire über ihren ureigensten Zweck, Satire zu sein, hinaus noch etwas leistet. Aber sie direkt ab Start so zu überfrachten?
- Sebastian Hotz, bekannt als El Hotzo, dagegen erklärt der ZEIT: “Man belügt sich, wenn man glaubt, dass man mit seinen Inhalten das Leben von anderen Menschen nennenswert verbessern kann.” Was stimmt also nun? Who knows. Interviews mit Hotz gibt es wegen der VÖ dessen satirischer Doku I’m Sorry, Mr President gerade überall.
BIT-EMPFEHLUNG: Hendrik Brehmer: Rauchwarnbilder (2024)
Großes Missverständnis: In observational comedy werden lustige Beobachtungen vorgetragen. Der Berliner Comedian Hendrik Brehmer hat verstanden, dass das allein nicht reicht. Die Beobachtung kann die Arbeit nicht allein erledigen, für das heavy lifting braucht es schon die Künstler:innen. In seinem Bit über Schockbilder auf Zigarettenschachteln führt Brehmer das prototypisch vor und türmt auf einer kleinen Beobachtung Gedanke um Gedanke auf.
- Der Münchner Comedian Michi Mauder hat wieder eine seiner leider nur mehr selten erscheinenden Podcast-Episoden aufgezeichnet: In Warum Comedy? spricht er diesmal mit Comedian und comedy enforcer Hans Thalhammer über die Gründung des Lucky Punch Comedy Clubs in München und die Förderung von Stand-up-Szenen an der Basis.
- Kathryn Van Arendonk porträtiert bei Vulture ausführlich Comedian Anthony Jeselnik, anlässlich dessen neuen Specials. Sie schreibt: “Offensiveness is often so predictable, following along rote, well-worn pathways of racism, sexism, homophobia, and other fears. Jeselnik’s art is in finding ways to be such an astonishing asshole that the nature of the insult is legitimately surprising.” (Wie schön übrigens, dass sich ein Medium im Porträt so intensiv mit der Kunst eines Comedians auseinandersetzt und nicht auf die Biografie beschränkt. Letzteres liegt vermutlich in Deutschland daran, dass es noch nicht so viele Comedians mit unterschiedlichen Stilen gibt, die auch einem größeren Publikum bekannt sind.)
- Jason Zinoman schreibt in der New York Times über den US-amerikanischen Late-Night-Gott Johnny Carson. Lesenswert. Einen Gedanken möchte ich herausheben, weil er auch die deutschen Verhältnisse so gut illustriert: “Late-night talk show hosting is rarely treated as an art though it is in fact a tightly planned, highly artificial enterprise. But otherwise discerning people consider it simply a display of personality.” Ein Charismatiker macht noch keinen Late-Night-Host.
- Hinchliffe-Reprise: “Is it just funny that you’re saying awful things?”, fragt Comedian Keith Lowell Jensen in seinem Newsletter und leitet seine Kritik aus comedyinternen Maßstäben ab: “Why didn’t you say the awful things about Trump then? […] It seems kind of relevant that many of [Hinchcliffe’s] ‘just jokes’ were pointed at the very people that Trump’s very non-jokey policies and vitriol is often aimed at.”
- Jerry Seinfeld hat sein Urteil revidiert, die Linke und political correctness würden Comedy zerstören.Den seinerzeitigen Ärger über diese Worte kann er nicht recht verstehen: “I did not know that people cared what comedians said”, sagte er im Podcast Breaking Bread von Tom Papa (bei Chortle rekapituliert).Schon erstaunlich, mit welcher Verve manche Menschen jahrzehntelang in jedes Mikrofon sprechen und ihre Karriere darauf aufbauen, dass man ihnen zuhört, und dann aus allen Wolken fallen, wenn es tatsächlich irgendjemand tut.
- Das gute Zitat: “Manchmal kann auch schwarzer Humor befreiend sein.” (ND) Zum Glück!
Lesetipp: Interview mit Studio Braun
Die schottische Comedienne Fern Brady macht sich auf einem Showplakat auf obszöne Weise über die Kirche lustig – denken viele, Shitstorm inklusive. Stellt sich raus: Brady kennt die christliche Bilderwelt offenbar besser als mancher britische Geistliche. Selbstironie beweisen und mal zurückrudern können die Kritiker allerdings nicht, geht es doch schließlich um DiE gUtEn SiTtEn. Hier geht’s zum Text
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